Dienstag, 4. September 2007

Voll gut (aber nicht so ganz)
(Gut, ertappt... Ich mach so ein schiefes Gesicht, weil ich gerade einen Keks esse.)
Fangen wir mit dem Positiven an: England war einfach geil! Ute Morawetz & Co. haben eine super Reise auf die Beine gestellt und die Organisation war einfach genial. Waren zwar mehr als geplant mit dem Bus unterwegs, weil sich die Hotels etwas schwierig finden ließen, aber ansonsten war das eine ganz runde Nummer mit sehr vielen freundlichen Menschen und tollen, interessanten Gesprächen übers Laufen, Sport sowie Gott und auch ein bisschen die Welt an sich.

Sportlich müsste ich den Trip eigentlich in die Schublade "Enttäuschungen und andere Katastrophen" packen. Aber andererseits auch nicht. Gut, 1:46 Stunden, wie meine manchmal geliebte, diesmal eher gehasste Polar-Pulsuhr im Ziel anzeigte, sind eigentlich zu wenig. Angesichts des enormen Aufwands, den ich im Rahmen der Marathon-Vorbereitung betrieben habe, hatte ich mir mehr erhofft. 1:45 hätten es schon sein sollen. Und besser noch drunter. Ich bin mir auch sicher, dass ich das Laufen kann. An einem guten Tag sollte ich sogar unter 1:43 bleiben können. Aber eben nicht am Sonntag. Der Lauf begann an sich eigentlich total genial. Beste Stimmung, freudige Erwartung, nette Menschen, Gänsehaut. Obwohl der Start doch eher holprig war, weil sich unser Hotel quer gestellt hatte und uns nicht vor 8 Uhr frühstücken lassen wollte. Da der Start schon um 9.30 Uhr war, war's ein bisschen stressig. Hab mich für ein Schüsselchen Müsli mit einer Banane entschieden. War sicherlich besser, als gar nichts im Magen zu haben, aber es war auch zuviel, um unbeschwert zu laufen. Den Batzen hab ich also samt Magen irgendwo kurz oberhalb der Kniekehlen mit mir rumgeschleppt. Und kurz nach dem Startschuss hat unser Herr Naseweis selbstverständlich - Tradition, Tradition! - mal wieder ordentlich auf die Tube gedrückt, um gleich mal die Flaschen hinter sich zu lassen. Den kannste noch überholen. Die auch noch. Was will der denn bloß hier vorn? Da geh ich doch mal glatt elegant links vorbei. Und noch ein Ausfallschritt rechts rum. Eine Piruette hier, ein Schlenker da, ihr kennt das ja... Nach drei Kilometern Super-G schwitzte ich wie ein Rudel Pinguine in der finnischen Sauna, weil natürlich auch die Sonne mal Schwein sein wollte und sich dachte, dass sie den Irren da unten mal ordentlich den Scheitel verkohlen könnte.
Bei Kilometer fünf war ich klatschnass - und mitten im Motivationsloch. Ganz ehrlich, ich war platt. So fühlte ich mich zumindest. Hab mich weitergeschleppt, aber ordentlich an Tempo eingebüßt. Bei Kilometer sieben hab ich überlegt, ob ich abbreche, da meine großen Rechenkünste mich schon wieder in unverschämt miserable Zeiten befördern wollten, wenn ich "so weiterlaufen würde". Da schloss dann der Schneverdinger Manfred Röhrs zu mir auf und wir sind zirka 200 Meter zusammen nebeneinander gerannt. Da wir aber beide feststellen mussten, da wir keine Luft für Gespräche aufbringen konnten, war das dann auch wenig unterhaltsam (ohne Vorwurf an den lieben Kerl, haben uns vorher und auch später stets gut verstanden). Also ließ ich ihn so ab Kilometer acht ziehen und hatte ihn dann ein Weilchen noch im Blickfeld von zirka 100 bis 200 Metern. Dachte mir in dem Moment, dass ich ihn lieber vor als hinter mir habe, weil mich dann das "Ziel" vor Augen mehr ziehen würde. Hat aber nicht wirklich geklappt. Bei Kilometer zwölf hab ich den Lauf mental eigentlich abgehakt. Mit der Einstllung "Scheiß auf die Zeit, mach keinen Blödsinn und komm durch. Zeig mal, dass du beißen kannst, auch wenn's weh tut, aber überdreh nicht" bin ich dann auch ganz gut gefahren und hab langsam wieder meinen Rhythmus gefunden. Wahrscheinlich auch, weil ich mir danach jeden Blick auf die Uhr verboten habe. Dachte zu dem Zeitpunkt, dass ich wahrscheinlich sogar an den 1:55 scheitern würde.

Bei zirka Kilometer zwölf hab ich dann Mathew "Matt" Perry kennen gelernt. Ein netter Engländer, 36 Jahre alt, der da gerade seinen ersten Halbmarathon lief und dem's da grad noch ein wenig beschissener ging als mir. Haben uns in ruhigem, aber ganz ordentlichem Tempo unterhalten und gegenseitig motiviert. So lief es sich dann ziemlich angenehm weiter, unter anderem direkt an seinem Haus vorbei, wo seine Familie stand, um ihn anzufeuern. Haben dann ganz kurz angehalten, er hat sich seine Küsschen von Frau und Kindern abgeholt, und er hat mich als den freundlichen Mann vorgestellt, der ihn "ins Ziel ziehen" würde. Wirklich nette Menschen, diese Engländer. Nach einem kurzen Schnack ging's dann aber weiter, schließlich hatten wir noch gute fünf Kilometer vor uns. "Du wirst mich doch ins Ziel ziehen, oder?", fragte er kleinlaut, nachdem wir außer Hörweite seiner Familie waren und ich hab natürlich grinsend zugestimmt. Aber unter der Prämisse, dass wir nochmal einen kleinen Zahn zulegen würden. So ganz kann ich meinen Ehrgeiz dann doch nicht abstellen, obwohl der Blick zur Uhr weiter tabu war. Also Beine in die Hand und den nächsten Hügel rauf. Matt konnte mir übrigens auch nicht erklären, warum sie da drüben so viele davon haben. Uns war's aber egal, wir sind beständig weitergelaufen und haben nur bei den Getränkestationen ganz kurze "Gehpausen" eingelegt, um nicht aus dem Rhythmus zu kommen.
Bis Meile zwölf (ca. 19,2 Kilometer) hielt Matt sich wacker, dann kam der nächste steile Berg. Ich hatte wieder gut Luft und bin zwei Meter vorweggelaufen, um ihm etwas Windschatten zu geben. Halbwegs hoch meinte er, er wäre sich sicher, dass er ankommt - wenn ich also nochmal Gas geben wolle, hätte er kein Problem damit. Das hab ich dann gemacht, und ihm noch zugerufen, er solle das Siegerlächeln auf der Ziellinie nicht vergessen. Mit dem ersehnten Ziel vor Augen hab ich mich dann nochmal richtig ausgepumpt. Tempo was ging, bis die Beine wackelig wurden. Auf den letzten hundert Metern ist mir sogar noch ein ganz ansehnlicher Sprint geglückt, auf dem ich noch neun Konkurrenten hinter mir gelassen hab, ehe ich ziemlich fertig über die Ziellinie wankte. Manfred Röhrs hab ich nicht mehr gesehen. Erst dort, er soll so zirka eine halbe Minute vor mir da gewesen sein. Geht ja noch. War erstaunt, als es doch noch eine annehmbare Zeit wurde. Meine Uhr stoppte exakt beim Sprung auf 1:46:00. Im Internet stehen 1:46:38 zu Buche. Aber danach ist Manfred auch eine Sekunde nach mir ins Ziel gekommen, was ja auch nicht ganz stimmen kann. Aber ich kann mit der Ergebnisliste natürlich gut leben :o)

In der Gesamtwertung reichte es übrigens zu Platz 285 von insgesamt 1037 Halbmarathonis (also im ersten Drittel). In der Männer-Hauptklasse wurde ich von 401 Läufern 146.

Hab dann Matt kurz nach mir "ins Ziel gebrüllt" und bin dann losgestiefelt, um die anderen im Endspurt zu sehen. 300 Meter vor dem Ziel hab ich dann Irmtraud Böttcher angefeuert und sie noch ins Ziel begleitet. Hatte auf den letzten Metern noch einen guten Sprint drauf, Respekt! 2:02 waren es am Ende. Dann noch die anderen angefeuert, das eine oder andere Fach mit Fans und Läufern gesimpelt und dann ging's ab zum Duschen.

Nochmal zu den Ergebnissen: Hab ja grad schallend gelacht, als ich lesen musste, dass ich für den "TV Jahn Sohneverolingen" gestartet sei. Diese Briten... Ganz großes Tennis! Die weiteren Zeiten: Manfred Röhrs 1:46:39, Ute Morawetz 1:57:59, Irmtraud Böttcher 02:03:52, Ursula Rutsch 02:04:39, Annegret Schröder 02:15:18, Horst Schröder 02:15:19.

So, genug palawert. Bis die Tage!

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